Bildgebung und -diagnostik ist Sache der Radiologie!
Berlin, 18.7.2016
Viele Fächer nutzen die Novellierung der Musterweiterbildungsordnung, um die Bildgebung in ihren Kanon einzuschreiben. Das ist medizinisch gefährlich, rechtlich nicht haltbar und ökonomischer Unsinn.
Die Deutsche Röntgengesellschaft e.V. (DRG), der Berufsverband der Deutschen Radiologen e.V. (BDR), die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR), die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie e.V. (DGNR), der Berufsverband Deutscher Neuroradiologen e.V. (BDNR) und die Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie e.V. (GPR) haben deshalb eine gemeinsame Stellungnahme zur Novellierung der Musterweiterbildungsordnung formuliert, die wir nachfolgend dokumentieren.
Im Rahmen der für 2017 von der Bundesärztekammer (BÄK) geplanten Novellierung der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) medizinischer Fachgebiete hatten bereits alle Fachgesellschaften Gelegenheit, Vorschläge für die künftige Weiterbildung in ihren Fächern einzureichen. Dabei zielte die Eingabe vieler Fächer explizit auf eine Kompetenz- bzw. Leistungsausweitung ihres Faches ab, indem bislang fachfremde Leistungen neu in das Fachgebiet integriert wurden. Besonders betroffen davon sind Kernkompetenzen des Fachgebiets der Radiologie, namentlich die Computertomographie (CT), die Magnetresonanztomographie (MRT) sowie verschiedene Katheterverfahren. Diese Verfahren jedoch sind teuer und medizinisch anspruchsvoll, so dass deren Einsatz einer fundierten Weiterbildung bedarf, wie sie nur die fachärztliche Weiterbildung der Radiologie vermittelt.
Es droht eine unkalkulierbare Kostensteigerung im Gesundheitswesen!
Das Interesse vieler Fächer besteht ganz unzweifelhaft darin, durch einen Ausbau des eigenen Kerngebiets auch die Abrechnungsmöglichkeiten umfassend zu erweitern. Denn gehört eine Leistung zum Kerngebiet des jeweiligen Faches, ist auch die Abrechnung als Leistung nach dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) möglich. Die private Krankenversicherung (PKV) würde davon ähnlich betroffen sein. Bereits heute ist es einem Nicht-Radiologen möglich, bis zu fünf Prozent seiner privatärztlichen Leistungen außerhalb seines Kerngebiets zu erbringen.
Die Aufnahme radiologischer Leistungen in das Kerngebiet anderer Fächer würde zu einer signifikanten Leistungssteigerung führen!
Nur die Trennung von Diagnostik und Therapie bzw. die Trennung von Zuweiser und Leistungserbringer gewährleistet die optimale Kombination aus medizinischer Versorgungsqualität und wirtschaftlicher Effizienz. Die Ausweitung radiologischer Leistungen auf andere medizinische Fächer hat jedoch eine zunehmende Zahl von Selbstzuweisungen zu bildgebenden diagnostischen Verfahren zur Folge, die im Ergebnis eine unkalkulierbare Kostensteigerung im Gesundheitswesen bedeutet.
Nicht zuletzt deshalb werden in der GKV radiologische Verfahren wie z. B. MRT, CT und Angiographien über die Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V (in Verbindung mit den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern) auf die hierfür speziell qualifizierten Fachärzte für Radiologie konzentriert – eine Vorgehensweise, deren Rechtmäßigkeit auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde, da „dies der Qualität der Versorgung sowie der Wirtschaftlichkeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung“ (1) diene.
Die Durchführung sämtlicher MRT-Untersuchungen muss auch weiterhin den Spezialisten vorbehalten sein!
Bei dem Versuch, sich neue Abrechnungsmöglichkeiten durch eine Erweiterung des eigenen fachlichen Kerngebiets zu erschließen, stößt bei einigen Fächern insbesondere die Magnetresonanztomographie (MRT) auf großes Interesse.
Die MRT ist bislang sowohl in der MWBO der BÄK als auch in den Weiterbildungsordnungen (WBO) der Landesärztekammern (LÄK) prinzipiell dem Kerngebiet der Radiologie vorbehalten.
Seit der Einführung der „ZusatzWeiterbildung Magnetresonanztomographie fachgebunden“ in den Weiterbildungsordnungen der jeweiligen LÄK sind zwar auch andere ärztliche Fachgruppen berechtigt, Leistungen der Magnetresonanztomographie zu erbringen, allerdings jedoch ausschließlich innerhalb ihrer eigenen Fachgebietsgrenzen und nur dann, wenn sie die nach der ZusatzWeiterbildung geforderte Weiterbildungszeit und die Weiterbildungsinhalte nachgewiesen und in einer Prüfung vor der Ärztekammer erfolgreich belegt haben.
Zudem gilt dies, folgt man der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nur für den Bereich der privatärztlichen Abrechnung.
In der GKV hat auch nach der Einführung der „Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomographie fachgebunden“ der Grundsatz Gültigkeit, dass nur Fachärzte für Radiologie zur Erbringung und Abrechnung dieser Leistungen berechtigt sind.
Die Gründe hierfür sind vielfältig, nachvollziehbar und sowohl auf Kostenträgerseite als auch in der vertragsarztrechtlichen Rechtsprechung anerkannt:
• Verantwortungsvoller Umgang
Die MRT ist ein technisch anspruchsvolles Verfahren, das unter Berücksichtigung der Interaktion des Magnetfelds mit dem Organismus sowie möglicher Effekte des Kontrastmittels in die Hände von Spezialisten gehört.
• Bedarfsgerechter Einsatz
Die Überweisung an die Radiologie stellt sicher, dass immer die für die jeweilige medizinische Fragestellung am besten geeignete diagnostische Methode ausgewählt wird. Dies ist insbesondere für die MRT wichtig, da diese Untersuchung mit sehr hohen Kosten verbunden ist und sich ihr Einsatz nur bei gewissen Fragestellungen als alternativlos rechtfertigen lässt. Eine abschließende Entscheidung darüber kann nur der Radiologe treffen. Nur er ist zudem befähigt, diese Entscheidung auf Grundlage aller zur Verfügung stehenden diagnostischen Verfahren zu treffen und aufgrund seiner umfassenden Kompetenz alternative bildgebende Verfahren einzusetzen.
• Umfassende Auswertung
Die Untersuchung wird vollumfassend interpretiert und befundet, da nur die Radiologie als Querschnittsfach über ein fach- und organübergreifendes Wissen verfügt. Auch Zufallsbefunde außerhalb des jeweiligen Organgebiets werden so zuverlässig diagnostiziert. Nichtradiologischen Fachärzten fehlt hingegen aufgrund der engen Fachbindung die dafür erforderliche Kompetenz. Im schlimmsten Fall drohen grobe Diagnose-, Befunderhebungs- bzw. Behandlungsfehler.
• Unabhängige Entscheidungen
Die Diagnostik erfolgt unabhängig von einem eventuellen Interesse an der Therapie, die durch den Zuweiser erfolgt. Dies gilt vor allem für den vertragsärztlichen Bereich, aber auch im Krankenhaus droht eine Konkurrenz der Fachgebietsrichtungen, deren Folgen am Ende die Patienten tragen.
• Effiziente Nutzung
Kostensteigerungen durch Selbstzuweisungen werden vermieden.
Die neue MWBO setzt den Rahmen für eine effiziente und qualitativ hochwertige Bildgebung in der medizinischen Grundversorgung!
Die Deutsche Röntgengesellschaft e.V. (DRG), der Berufsverband der Deutschen Radiologen e.V. (BDR), die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR), die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie e.V. (DGNR), der Berufsverband Deutscher Neuroradiologen e.V. (BDNR) und die Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie e.V. (GPR) warnen vor einer Ausweitung der medizinischen Bildgebung auf andere Fachdisziplinen. Dies führt zu einer medizinischen Verschlechterung und einer unkontrollierten Inflationierung von Bildgebung mit immensem ökonomischen Schaden. Wir fordern deshalb die MWBO-Verantwortlichen der benachbarten Fachgesellschaften zu einem sinnvollen und kollegialen Miteinander auf – auch und gerade in Bezug auf die Gestaltung der Weiterbildung junger Kolleginnen und Kollegen.
(1) BVerfG, Beschl. v. 16.7.2004, Az.: 1 BvR 1127/01; BVerfG, Beschl. v. 8.7.2010, Az.: 2 BvR 520/07.
Kontakt
Berufsverband der Dt. Radiologen e.V.Geschäftsstelle Berlin - Pressestelle
Dipl.-pol. Sabine Lingelbach
Robert-Koch-Platz 9 - 10115 Berlin
Telefon 030 / 280 456 10
FAX 030 / 280 456 12
Funk 01573 / 7475001
lingelbach@radiologenverband.de
www.radiologenverband.de
letzte Änderung: 6.4.2023 12:12